Berlin ist scheiße wegen Leuten wie dir
„Ich war gestern auf einem Netzwerk-Event im Social-Bereich.“ Das sagst du und ich frage mich, wie laut eine Ego-Maschine dröhnen muss, damit man die eigenen lächerlichen Satzejakulationen nicht mehr hört.
Auf deinem Stuhl sitzt du, mit den Beinen nur soweit übereinander geschlagen, dass es noch patriarchal auszusehen vermag. Von clients erzählst du und von deiner Agentur, von homeoffice und dem Gefühl, dass man nicht mehr weiß, ob das jetzt Arbeit ist oder Privatleben. Beim Lachen schluckst du Luft und lässt sie nicht mehr hoch, die Stimme klingt quietschig, wahrscheinlich denkst du gerade an den letzten Fick bei dem eigentlich klar war: das ist jetzt Arbeit.
Wie viel Haargel braucht man um ein Gehirn zur Funktionsunfähigkeit einzudrücken frage ich mich. In einem Dorf in Ostdeutschland wärst du Nazi geworden, da ist man auch privilegiert und handelt angeblich im Interesse anderer. Durch das hellblaue Jeanshemd, auch nur eine Form von Uniform, kann ich den Ergrauungsprozess deiner Brustbehaarung beobachten, wie sie langsam vor sich hin altert während du noch jedes Wochenende auf Netzwerkevents Red-Bull-Mojitos trinkst und mit Menschen schläfst, die dir sogar körperlich egal sind. Nur um dabei zu sein beim Morgen danach.
Das ist alles Teil des Projekts Leben, Start-Up, das ist ein Wort das sich sehr häufig aus dir formt, dabei hast du gar keins und es geht auch gerade nicht darum, nur kontinuierlich den Redefluss erhalten, das ist wichtig. Unter drei gescheiterten und zwei erfolgreichen Start-Ups dringt niemand in deinen Mikrokosmos vor, höchstens gegen einen verhandelbaren Tagessatz.
Das finde ich positiv, damit meine ich schlecht, aber unter positiv geht bei dir nichts, denn man muss die richtige Seite der Medaille sehen und die andere am besten negieren, bis sie an den Rande der Nicht-Existenz gerät.
In was für einer geilen Wohlstandswelt leben wir eigentlich, dass es da draußen Menschen gibt die behaupten können, dass alles eine positive Seite hat, die so wenig von der Welt verstanden haben, dass sie in einem ewigen Schwebezustand verharren und mit Rührungstränen auf die Realität herunterblicken, denn gerührt sein, das ist eine total wertvolle Empfindung. Ach, schau mal, wie sie da unten in der Realität hungern und lächerliche Tode sterben, süß ist das, niedlich, ja. Wohin kämen wir denn, wenn keiner sich mehr rühren ließe, in eine Welt ohne Kuchenteig und Suppen, wie traurig, ich mache blöde Scherze.
Aber wann hast du das letzte Mal etwas geliebt, das keinen wirtschaftlichen Wert für dich hatte?